Berlin. Lösen Corona-Impfungen Herzmuskelentzündungen aus? Forschende untersuchten, wie hoch das Risiko im Vergleich zu anderen Impfungen ist.

  • Corona-Impfungen können in sehr seltenen Fällen Herzmuskelentzündungen auslösen
  • Die Nebenwirkung tritt auch bei anderen Impfungen auf
  • Forschende haben 22 Studien zum Thema ausgewertet

Eines der vielleicht populärsten Argumente gegen die Corona-Impfung ist die Angst vor einer Herzmuskelentzündung. Tatsächlich hatte es im vergangenen Jahr entsprechende Berichte gegeben: In sehr seltenen Fällen, erklärte das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), sei eine Myokarditis eine Nebenwirkung einer mRNA-Impfung. Doch was bedeutet selten?

Ein Forschungsteam in Singapur hat 22 englischsprachige Studien über Impfnebenwirkungen ausgewertet, sie stammten aus den Jahren 1947 bis 2021. Dabei haben die Forschenden herausgefunden: Herzmuskelentzündungen, wie die Myokarditis umgangssprachlich heißt, treten im Zusammenhang mit anderen Impfungen ungefähr genauso oft auf wie bei der Corona-Impfung. Eine Bevölkerungsgruppe scheint allerdings gefährdeter zu sein als andere.

Forschung: Dieser Corona-Impfstoff ist für spezielle Gruppen

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    Für diese Erkenntnisse haben die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen Daten aus mehr als 405 Millionen Impfdosen verglichen und analysiert – darunter unter anderem Corona- (mRNA und nicht-mRNA), Kinderlähmung-, Grippe-, Hepatitis- oder Pockenimpfungen. Die Ergebnisse veröffentlichten sie im Fachblatt "The Lancet Respiratory Medicine".

    Besonders die noch neuen Corona-Impfungen schneiden dort nicht so schlecht ab, wie Teile der Bevölkerung seit ihrer Einführung angenommen haben: So kommen auf eine Million Corona-Impfungen 18 Fälle von Myoperikarditis, auf alle anderen Impfungen zusammen durchschnittlich 56 Fälle. Insgesamt traten bei den mehr als 395 Millionen verabreichten Covid-Impfdosen aus den Studien 5299 Fälle auf. Man spricht dann von einer Myoperikarditis, wenn sich die Entzündung neben dem Herzmuskel auch auf den Herzbeutel ausgeweitet hat.

    Nebenwirkungen: Herzmuskelentzündung bei Corona-Vakzin trifft junge Männer

    "Die Myoperikarditis-Inzidenz bei Covid-19-Impfungen unterscheidet sich statistisch gesehen nicht wesentlich von jenen anderer Impfungen", schlussfolgern die Forschenden. Dennoch haben sie sich innerhalb der Corona-Impfungen auch die Myoperikarditis-Inzidenzen von mRNA-basierten Vakzinen angeschaut und sie mit jenen verglichen, die die Technik nicht verwenden.

    Tatsächlich lösten die mRNA-basierten Corona-Impfstoffe öfter Herzmuskelentzündungen aus: Auf eine Million Impfdosen kamen 22,6 Fälle von Myoperikarditis. Den Statistiken zufolge waren jüngere Menschen öfter betroffen als ältere und Männer öfter als Frauen. Bei Männern unter 30 war die Inzidenz zehn Mal höher als bei Frauen im gleichen Alter.

    Den Forschenden zufolge gehörten junge Männer auch vor der Corona-Pandemie bereits zur anfälligsten Bevölkerungsgruppe für Herzmuskelentzündungen. Das deckt sich mit den Erkenntnissen anderer Studien.

    Herzmuskelentzündungen besonders oft bei Pockenimpfung

    Das würde auch erklären, warum es bei den Studien zu einer anderen Impfung so hohe Inzidenzen gab: Bei der Pockenimpfung traten Herzmuskelentzündungen offenbar viel öfter auf, auf eine Million Impfdosen kamen rund 132 Fälle. In jenen Studien seien aber Impfnebenwirkungen beim US-Militär analysiert worden – eine Gruppe, in der besonders viele junge Männer sind.

    Insgesamt sei das Risiko einer Herzmuskelentzündung bei Covid-Impfungen niedrig, so die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der aktuellen Analyse-Studie. Der Nutzen der Impfung überwiege mögliche Gefahren. Allerdings dürften die Erkenntnisse für zukünftige Impfstrategien interessant sein – besonders dann, wenn weitere Booster-Impfungen und Auffrischungen Thema der Diskussion sind.

    Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de