Wolfsburg. Der neue Nachhaltigkeitsbeirat soll dabei helfen. Er ist hochkarätig besetzt, Kritiker bezeichnen ihn dennoch als „Feigenblatt“.

Der vom Abgas-Skandal durchgeschüttelte VW-Konzern will sich künftig mehr Rat von Experten in Sachen Nachhaltigkeit und Umweltschutz holen. Ein neunköpfiges Gremium aus Fachleuten und Politikern soll den Konzernvorstand darüber hinaus auch bei den Themen gesellschaftliche Verantwortung, Zukunft der Arbeit und Digitalisierung beraten.

Gegründet hat sich der neue Nachhaltigkeitsbeirat bereits Ende Oktober – weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit. Die Projekte und Empfehlungen des Gremiums sollen den Konzern umso intensiver beeinflussen und dabei helfen, das ramponierte Image aufzupolieren. Beim Beirat soll es sich ausdrücklich nicht um eine „Alibi-Veranstaltung“ handeln. Das sagte VW-Chef Matthias Müller bereits im Vorfeld.

VW legte Wert darauf, den Beirat möglichst mit namhaften Experten zu bestücken. Im neunköpfigen Gremium befinden sich unter anderem Ex-DGB-Chef Michael Sommer, Belgiens Ex-Premierminister Yves Leterme, Gertrude Lübbe-Wolf, Ex-Richterin am Bundesverfassungsgericht und Margo Oge, Ex-Direktorin der US-Umweltbehörde EPA. Es war die EPA, die den Abgas-Skandal mit aufdeckte.

Der Konzern stellt dem Beirat 20 Millionen Euro für die ersten zwei Jahre bereit. Die Mitglieder erhalten laut VW „marktübliche Aufwandsentschädigungen“.

Ex-DGB-Chef Sommer erklärte unserer Zeitung seine Motivation, sich dem Beirat des angeschlagenen Autobauers anzuschließen: „VW hat eine große Bedeutung für Niedersachsen, für ganz Deutschland. Ich will helfen, den Konzern aus der Krise zu führen und wieder glaubwürdiger zu machen.“ Er habe den Eindruck gewonnen, VW-Chef Müller meine es ernst beim Umbau des Konzerns sowie der nachhaltigen Entwicklung. Sommer sagte, er habe bereits einige Projektideen in der ersten Sitzung eingebracht. Diese seien aber noch nicht spruchreif.

Den Kontakt zu Müller stellte VW-Cheflobbyist und Ex-Regierungssprecher Thomas Steg her. „Er rief mich an und fragte mich, ob ich VW in der schwierigen Lage helfen wolle.“ Sommer selbst sieht sich in seiner neuen Rolle als „konstruktiv-kritischen Geist“.

Die größten VW-Skeptiker sitzen nicht im Beirat: Umweltverbände wie die Deutsche Umwelthilfe, Greenpeace oder der Nabu. Jürgen Resch, Chef der Umwelthilfe, sagte auf Anfrage: „Der Beirat ist ein Feigenblatt.“ Zu den namhaften Experten sagte er spöttisch: „Der Papst und Obama fehlen.“ Bei den Abgas-Werten werde in der Automobilbranche gelogen und betrogen. „Was soll dieser Beirat? Wir erwarten von VW vielmehr, dass die Werte auf der Straße eingehalten werden.“

Als Themenschwerpunkt hat sich der Beirat für 2017 unter anderem die globalen CO2-Belastungen gesetzt. Da wussten die Mitglieder noch nicht, wie umstritten dieses Thema ist. Vergangene Woche kam heraus, dass die Autoindustrie den Spritverbrauch in den Herstellerprospekten um 42 Prozent zu niedrig angibt.

Konzernchef Müller erläuterte in einer Pressemitteilung, wie er sich die Zusammenarbeit vorstellt: „Der Nachhaltigkeitsbeirat wird mit weitgehenden Informations-, Konsultations- und Initiativrechten ausgestattet. Er berät den Vorstand in Fragen der Wirtschaftsethik und Integrität, aber auch bei Zukunftsfragen der Automobilbranche, wie der Transformation vom Autobauer zum Mobilitätsdienstleister, beim technologischen Umbruch vom Verbrennungsmotor zur Elektromobilität oder der Frage nach der Balance aus Wirtschaftlichkeit, guten Arbeitsplätzen und Umweltschutz.“

Ein VW-Sprecher versicherte, dass erste Projekte bald folgen werden.