Braunschweig. Im Tarifstreit für 6000 Mitarbeitende in unserer Region haben sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der Nacht zu Donnerstag geeinigt.

Die rund 37.000 Beschäftigten der Diakonie Niedersachsen erhalten insgesamt 7,2 Prozent mehr Geld bei einer Laufzeit von 30 Monaten. Darauf haben sich der Diakonische Dienstgeberverband Niedersachsen (DDN), die Gewerkschaft Verdi und der Ärzteverband Marburger Bund in der Nacht zu Donnerstag in der sechsten Verhandlungsrunde geeinigt. Außerdem erhalten die unteren Lohngruppen ein Mindest-Lohnplus von monatlich 70 Euro.

Rüdiger Becker, DDN-Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzender der evangelischen Stiftung Neuerkerode.
Rüdiger Becker, DDN-Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzender der evangelischen Stiftung Neuerkerode. © Frank Schildener (ARchiv)

„Die Tarifverhandlungen sind sehr holprig gestartet und haben viel zu lange gedauert. Aber am Ende haben wir ein gutes Ergebnis“, sagte Verhandlungsführerin und Verdi-Gewerkschaftssekretärin Annette Klausing am Donnerstag unserer Zeitung. Der DDN-Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzende der evangelischen Stiftung Neuerkerode, Rüdiger Becker, sprach ebenfalls von einem „guten Ergebnis“. Allerdings sei es ein teurer Abschluss, „dessen Überzeugungskraft für die Unternehmen in erster Linie in der Länge der Laufzeit liegt“, teilte Becker mit. Das gebe den Dienstgebern Planungssicherheit.

Altenpfleger werden besser eingruppiert

Das Lohnplus für die Diakonie-Beschäftigten staffelt sich ab Mai in drei Stufen mit jeweils 3,0 Prozent, 2,6 Prozent (Januar 2020) und 1,6 Prozent (Januar 2021) mehr Geld. Zusätzlich erhalten sie für die Monate Januar bis April 2019 eine Einmalzahlung von 250 Euro. Ursprünglich hatte Verdi 6 Prozent mehr Lohn bei einer Laufzeit von 12 Monaten gefordert. Der Tarifvertrag gilt für rund 6000 Beschäftigte in unserer Region.

In der Altenpflege werden die Löhne außerdem über zusätzliche Entgeltanhebungen bis zum September 2022 an das Niveau der Krankenpfleger angepasst. In Summe erhalten die Altenpfleger damit ein Lohnplus von 10,3 Prozent über einen Zeitraum von 45 Monaten. „Es ist gut, dass wir wieder ein einheitliches Entgeltniveau haben“, sagte Klausing zur besseren Eingruppierung der Altenpfleger. Die Ärzte erhalten ebenfalls ein Lohnplus von insgesamt 7,2 Prozent sowie vorab eine Entgelterhöhung um 0,7 Prozent – angelehnt an den Tarifvertrag des Verbands kommunaler Arbeitgeber. Auszubildende in der Heilerziehungspflege sowie dual Studierende werden laut Klausing zudem erstmals eine tarifliche Vergütung erhalten.

Pflegezulage soll Beruf attraktiver machen

Verdi und DDN haben weiterhin eine Pflegezulage in Höhe von 120 Euro für Fachkräfte und 85 Euro für Nicht-Fachkräfte im Krankenhaus und der Altenhilfe vereinbart. „Damit steigern wir die Attraktivität des Pflegeberufs und hoffen, dass weniger Menschen aus der Pflege aus- und mehr in die Pflege einsteigen“, sagte Klausing. DDN-Chef Becker urteilte ebenfalls, dass sich ein „äußerst attraktives Tarifwerk“ ergeben habe. „Im zunehmenden Wettbewerb um Mitarbeitende und Fachkräfte ist das für die diakonischen Unternehmen ein essenzieller Vorteil“, sagte Becker. Allerdings bleibe die Refinanzierung nicht nur in der Altenhilfe problematisch. Sie stelle die Arbeitgeber vor große Herausforderungen in den Verhandlungen mit den Kostenträgern, also etwa Krankenkassen und Pflegeversicherungen.

Reinigungskräfte erhalten 70 Euro mehr

Streitpunkt war bis zuletzt offenbar der zusätzliche Mindestbetrag für Beschäftigte der unteren Lohngruppen, wie etwa Altenpflegehelfer oder Reinigungskräfte. „Es war uns sehr wichtig, diese soziale Komponente zu erreichen“, sagte Klausing. Jens Rannenberg, Vorstand der Dachstiftung Diakonie und Vorsitzender der Verhandlungskommission, sagte hingegen: „Die Erhöhungen und Mindestbeträge in den unteren Entgeltbereichen sind Gift im Wettbewerb um eine wirtschaftliche Erbringung von Dienstleistungen im Bereich von Küche, Wäscherei und Reinigung.“ Das Mindest-Lohnplus liegt nun bei 70 Euro, ursprünglich hatte Verdi einen Betrag von 200 Euro gefordert. Klausing bezeichnete das als „Pille“, die zu schlucken sei. Für Rannenberg hat der Tarifvertrag Diakonie Niedersachsen aus Unternehmersicht in Konkurrenz zu anderen Tarifwerken „verloren“. Er vermutet, dass Wechsel in andere Tarifwerke damit wieder stärker in den „Planungshorizont unternehmerischer Entscheidungen“ rückten. Zum DDN gehören 223 Unternehmen der evangelischen Kirchen, die im Pflege-, Gesundheits- und Sozialbereich tätig sind.

Arbeitszeit wird separat diskutiert

Arbeitnehmer und Arbeitgeber hatten in dieser Tarifrunde ungewöhnlich lange verhandelt. Wäre in der sechsten Runde kein Ergebnis zustande gekommen, hatte Verdi angekündigt, eine Schlichtung einzufordern. Erst danach hätten die Beschäftigten auch streiken dürfen.

Das Thema Arbeitszeit wurde bereits während der laufenden Tarifrunde von der Agenda gestrichen. Die Arbeitgeber hatten diese von 38,5 auf 40 Stunden erhöhen wollen; die Arbeitnehmervertreter hatten unter anderem die Bereitschaftsdienste reduzieren wollen. Sobald der Tarifvertrag unterschrieben ist, wollen sich beide Parteien nun in einer Arbeitsgruppe treffen, um über Veränderungsmöglichkeiten im Bereich Arbeitszeit zu sprechen. „Ergebnisoffen“, betont Klausing.